Mittlerweile ist Julia schon in Estella-Lizarra (Navarra, 114km seit Saint-Jean-Pied-de-Port) angekommen und hat im ganzen Pilgertrouble Zeit gefunden, uns ein Update über ihre ersten 100km zu geben.
Sie ist in Saint-Jean-Pied-de-Port in den Pyrenäen gestartet und wir sind ganz gespannt, was sie so erlebt hat.
Julia: Endlich habe ich etwas Zeit euch ein Update zu geben. Man glaubt es nicht, aber es ist ja immer was zu tun (lacht). Zum Beispiel musste ich heute Camino-Erde in alte Wanderschuhe füllen, Mitreisende verarzten und so weiter und so weiter.
Ich versuche nun die letzten 100km für euch zu rekapitulieren und deine Fragen zu beantworten.
Carolina: Wie ist die allgemeine Pilgerlaune?
Julia: Das ist echt schwierig zu beantworten. Ich hatte ja jetzt schon einige Camino-Tage. Generell ist es sehr lustig hier. Vor allem mit meiner Mitpilgerin Cressant, genannt Chrissie. Sie läuft meist ohne Rucksack oder gar nicht, sorgt aber immer für gute Laune.
Wenn man mal ganz allein läuft, ist es natürlich schwieriger sich zu motivieren, aber da hilft mir dann zum Beispiel Musik.
Carolina: Hast du schon viele Mitpilger kennen gelernt & wie sind sie?
Julia: Das Pilgervölkchen ist allgemein sehr enthusiastisch, erwartungsvoll, positiv und gut gelaunt. Meine derzeitigen MitpilgerInnen sind:
- Cressant aus Portland, sehr lustig mit ihr. Sie pilgert aber nicht so wirklich, sondern genießt Europa und reist danach noch weiter.
- Thomas aus Irland. Er hat erst am 5.Tag seinen Rucksack richtig justiert. Er meint für ihn sind das bis jetzt die schönsten Tage seines Lebens und er nimmt das mit der Camino-Familie sehr ernst… (bisschen zu ernst (lacht)).
- Amelia ist das Küken aus Hamburg. Sie wusste nicht was sie nach dem Abi machen soll und lief dann einfach los, ganz nach dem Motto: „Ich bin dann mal weg.“
- Nico ist aus Argentinien, er trinkt gerne Maté und ist in allem easy going. Er wusste nichts mit sich anzufangen und läuft einfach.
- MJ aus Indien ist der Verrückte unter uns. Er ist den Weg schon vier Mal gelaufen, hat einige Camino Tattoos und erzählt die ganze Zeit Camino-Geschichten. Er ist hier auf der Suche nach seiner Traumfrau.
- Paolo aus Italien habe ich im Zug kennen gelernt, als ich von Mannheim über Paris nach Saint-Jean angereist bin. Er ist von der ganzen Truppe der Einzige, der wirklich pilgert. Er ist super sympathisch und pilgert hier zusammen mit seinem Bruder. Wer weiß was er auf dem Weg findet.
Carolina: Was ist die schönste Erfahrung bisher?
Julia: Wie herzlich die Menschen hier sind. Vor allem die Spanier unterwegs, die auch schon gelaufen sind, sind alle so nett! Und die Mitpilger. Hier passt jeder auf jeden auf. Man nimmt Rücksicht, lacht viel & motiviert sich beim Laufen.
Carolina: Was wünschst du dir für die nächsten 100km?
Julia: Weitere spannende Geschichten, interessante Menschen, lustige Stunden und keine Blasen!
Carolina: Was sind bis jetzt die schwierigen Momente?
Julia: Für mich persönlich nicht der Wanderweg. Es sind eher die Menschen, die es schwierig machen. Das wird teilweise sehr intensiv, wenn man so viel Zeit zusammen verbringt…
Da muss ich dann ab und zu flüchten, Abstand nehmen und mich neu orientieren.
Auf einem Weg ist ja auch alles im Fluss und ändert sich jeden Tag. Da freut man sich mal auf ein paar Stunden Privatsphäre (lacht).
Carolina: Was ist überraschend für dich?
Julia: Wie schnell sich die Menschen öffnen. Wie offen geredet wird. Das ist wirklich besonders! Es sind auch viele junge Menschen da.
Und Pilgern hat nicht unbedingt mit Religion, Spiritualität oder so zu tun, sondern einige Pilger/Reisende sind hier auf der Suche nach einem Abenteuer, einer Auszeit oder auch nach neuen Ideen. Das hat mich am meisten überrascht und das habe ich so nicht erwartet!
Carolina: Welche Dinge über den Jakobsweg bewahrheiten sich für dich bis jetzt?
Julia: Die vielen Blasen meiner Mitpilger (die meisten kennen Hirschtalg nicht). Die Armen!
Und dass man ähnliche Menschen aus der Vergangenheit trifft und dann reflektieren kann (das ist verrückt und immer wieder mehr als Zufall!).
Und zu sagen „Das ist so Camino“, wenn wirklich Zufall im Spiel ist… (lacht). Richtig komisch.
Der Clou ist wohl, dass man nur hier darauf achtet, aber wahrscheinlich ist es sonst auch immer so und man sieht es nur nicht!
Carolina: Das ist schön zu hören! Du scheinst eine gute Zeit zu haben. Was genießt du am meisten?
Julia: Man ist sehr entspannt. Man muss nichts organisieren… Man muss nur laufen, essen, schlafen. Diese ganzen Basic-Sachen, die im Alltag untergehen.
Und dann merkt man, was das Leben immer so anstrengend, so lustig, so interessant macht:
Die Mitpilger (lacht) !!!
Carolina: Danke für das Interview! Wir freuen uns auf einen weiteren Bericht von dir in den nächsten 100 oder 200 Kilometern.
Bis dahin Ultreia y Suseia!
Sehr schönes Interview, man bekommt Lust, selber (wieder) zu laufen.
Wir wünschen Julia weiterhin Motivation, Freude, wenig Blasen und tolle Pilgerbekannte.
Guten Weg! Raul