gedanken, ich bin hospitalera, jakobsweg, pilgergedanken, Reisebericht Jakobsweg 2019
Kommentare 7

Ich bin Hospitalera – Teil 2

Grañón, Hospital de Peregrinos San Juan Bautista

Anfangs dachte ich, dass der Name meiner Herberge „Hospital de Peregrinos“ nur auf das Wort „hospitalis“ anspielt. Hospitalis ist lateinisch für gastfreundlich, „zum Gastwirt gehörend“. Bis man irgendwann im frühen Mittelalter damit begann, christliche Pilgerherbergen als Hospitale zu bezeichnen. Hospitale waren Orte der Speisung, der Bekleidung der Armen und Fremden, der Beherbergung und Pflege von Kranken. Im Spanischen und Englischem steht „Hospital“ für Krankenhaus. Und meine Herberge war wirklich ein Ort der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, der Brüderlichkeit und Gleichheit, der Freiheit im Denken und Freiheit im Sein und der Pflege von physisch und psychisch erschöpften Pilgern.

Team-work

Ich dachte ich hätte Erfahrung im Pilgern. Erfahrung auf dem Camino, aber im Nachhinein musste ich feststellen, dass diese Wochen meiner Arbeit als Hospitalera mir alles gezeigt haben, was das Mensch sein ausmacht und auch wer ich bin und wie viel ich noch zu lernen habe. Und ich bin mir sicher, dass auch meine Erfahrungen in der Herberge wiederum nur eine minimal kleine Perspektive des Lebens sind, und es noch unendlich weitere Geschichten zu erzählen gibt.

Team-work

Es sind so viele Eindrücke, so viele Geschichten, so viele Gesichter, so viele Emotionen, die ich gerne mit euch teilen möchte und hoffe dass ich mit diesen Geschichten zeigen kann, dass jeder Mensch, jeder Pilger wiederum nur ein Spiegel unserer Selbst ist.

An einem meiner letzten Tage deckte ich den Tisch für das gemeinsame Abendessen als ich plötzlich aus dem Fenster schaute und einen jungen rumänischen Pilger auf der Wiese liegen sah. Er winkte mir zu und rief mir zu ich sollte doch eine Pause machen.

Als ich mich ins leicht feuchte Gras setzte, schaute er mich an und fragte: „Did you learn in your last weeks who you are?

Und da ich so viele Pilger getroffen hatte, so viele Eindrücke und Emotionen gesammelt hatte, begann ich ihm ausführlich zu erklären wer ich war und was mich ausmachte. Er unterbrach mich nicht und fragte nach meinem Redeschwall erneut. „Wer bist du?“ Und da ich dachte ich hätte noch mehr zu erzählen, fing ich wieder an von meinen Konzepten und Ideen über mein Leben zu erzählen. Auch diesmal unterbrach er mich nicht. Er schaute mich wieder an und sagte: „Ich werde dich solange fragen bis du mir die wirkliche Antwort gibst. Die Antwort die richtig ist und einfach und so offensichtlich, dass wir sie alle in unserem Herzen kennen, aber unser Ego und Selbstverständnis es nicht zulässt.“

Ich schwieg.

Nachts in der Kirche

Und irgendwann im Laufe des Tages wusste ich die Antwort. Bestechend einfach und bestechend wahr.

Wir alle spiegeln uns wider. Wenn uns etwas am anderen stört, dann meist weil wir uns im anderen erkennen, wenn wir etwas in anderen lieben, dann meist weil wir es an uns selber lieben. Liebe deinen nächsten so wie du dich selber liebst, heißt es.

Ich habe hier gelernt, dass die Wahrheit oft einfach ist, dass der tiefe Sinn oft der ist, der in den profansten Wörtern daher kommt.

In allen Sprachen

Und eigentlich wissen wir es alle. Und alle großen Dichter und Denker vor uns, alle nach uns.

Recherchiert man so erkennt man schnell, dass Hermann Hesse, Martin Luther King, Dietrich Bonhoeffer und viele viele weitere Philosophen, Humanisten, Prediger oder Philanthropen genau das immer und immer wieder sagen.

Nächstenliebe ist Selbstliebe.

Das habe ich hier gelernt, dass wir alle, alle Nationen, die ich hier treffen durfte, Koreaner, Australier, Deutsche, Italiener, Mexikaner und viele viele mehr am Ende ein Spiegel unserer selbst sind. Das alle Gespräche und Erfahrungen die ich hier machen durfte, mir gezeigt haben wer ich bin und wo die Grenzen verschwimmen.

Allen ein von ♥ kommendes „Ultreia y Suseia“.

Video über unsere Herberge von meinem lieben Freund Levi aus Portugal 🙂

7 Kommentare

  1. Tobias Reichert sagt

    Sehr schön, was du erlebt hast im tollen Grañon. Für mich die beste Herberge des Weges!!!

  2. Irene Anthony sagt

    That´s amazing Carol! So nice that you still follow the arrows
    Love from the US!

  3. Christiane Mayer sagt

    Hallo Carolina, dein Video ist toll! Hallelujah geht richtig unter die Haut! Habe eben deinen Blog entdeckt und werde mich im September auf den Jakobsweg machen. Ich bräuchte noch Tipps für die Anreise.. Herzliche Grüße aus Würzburg, Christiane

  4. Shelly sagt

    Hi Caro, schön wie du berichtest! Wir wollen abert mehr Details wissen :).
    In Granon war Phillip schon! Musst unbedingt erzählen.
    Bd Shelly

Schreibe einen Kommentar zu Christiane Mayer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.